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Eine Geschichte von Angelia
Maria Schwaller, 14 Jahre aus der Schweiz
Der "Geisterfriedhof"
Da stand ich nun; alleine,
verlassen in der Dunkelheit. Fast alleine, wie sich
herausstellte: Zwei hell leuchtende Katzenaugen starrten
mich im Dunkel der Nacht an. Ich hatte Angst, nicht vor den
Katzenaugen, die mich beobachteten, nein, ich hatte Angst
vor dem Schwarzen, vor dem Bösen. Da stand ich nun, zitternd
vor Angst und vor Kälte. Alleine auf dem Friedhof in einer
eisigen und stürmischen Nacht. Wohlgemerkt ich hatte nicht
Angst vor den Toten, die aus ihren Gräbern um Mitternacht
hervorkommen sollen, nein, ich hatte Angst vor der Mutprobe
die mir ein Junge aus unserer Schule gestellt hatte. Ich
wollte nicht meine Stärke unter Beweis stellen, auf so einen
"Kinderkram" hätte ich mich bestimmt nicht eingelassen, ich
wollte meine Ehre als Frau verteidigen. Der Junge hatte
nämlich allen Ernstes behauptet, ein Mädchen würde sich doch
nie alleine in der Nacht auf den "Geisterfriedhof" (so wird
er genannt) wagen. Was hatte ich mir da nur eingebrockt!
Anstatt meine Klappe zu halten, habe ich mich lautstark
beschwert. Das habe ich nun davon: Alleine, zitternd vor
Kälte muss ich zwei Stunden auf dem Friedhof ausharren.
Hoffentlich haben meine Eltern nicht gemerkt, dass ich nicht
zu Hause bin! Um zu meiner Angst zurückzukehren: Ich habe
Angst, dass der Junge irgendetwas plant, um mich fertig zu
machen. Ich habe Angst mich zu blamieren. Das Böse, da bin
ich mir sicher, ist nicht das Unheimliche, sondern dieser
Junge. Noch eine Stunde. Hoffentlich erfriere ich hier
draussen nicht! Da, ein rasselndes Geräusch! Ist er das?
Eine dunkle Gestalt nähert sich mir. Irgendwie ganz schön
gross! Ist er das wirklich? Mit grossen, langsamen Schritten
kommt sie auf mich zu. Das kann er nicht sein! Der ist
bestimmt nicht so gross! Aber wer ist es dann? Mein Herz
beginnt schneller zu schlagen, mein Atem setzt schneller
ein. Plötzlich bleibt sie (die Gestalt) stehen. Sie sieht
mich lange an. Ihr Gesicht kann ich nicht erkennen, aber
irgendetwas an ihr kommt mir bekannt vor. Sie läuft an mir
vorbei und versteckt sich hinter einem Gebüsch! Das ist
vielleicht ein komischer Kauz!
1:30 Uhr, mit einem Blick auf
meine Uhr wird mir klar: Noch eine halbe Stunde. Ob ich das
durchhalte? Mit einem grossen Satz springt plötzlich eine
dunkel gekleidete und mit einer Screammaske vermummte Person
aus einem Gebüsch! In der Hand hält sie ein grosses Messer!
Ein wenig bin ich schon erschrocken, aber als ich sehe, dass
die Person ziemlich klein ist für einen Geist, weiss ich
sofort: Das ist der Junge. Kaum zwei Sekunden später
schleicht sich die Gestalt, welche sich in einem anderen
Gebüsch versteckt hatte, von hinten an den Jungen heran. Sie
legt ihm ihre Hand auf die Schulter und drückt leicht auf
seine Schulter. Das Gesicht des Jungen habe ich zwar nicht
gesehen, aber ein angst einflössender lauter Schrei konnte
ich dennoch hören! So schnell wie der Junge gekommen war,
war er auch schon wieder weg. Noch in Gedanken versunken und
dem Jungen nachschauend, sah ich nicht, wie die Gestalt
wieder verschwand. Bis heute weiss ich nicht, wer es war.
Aber eins weiss ich: Der Junge wird sich von jetzt an
zweimal überlegen, was er über "Mädchenangst" erzählt! |